08. August 2024
In der heutigen Geschäftswelt begegnet man häufig der Frage, warum die Stundenansätze von Dienstleistern, sei es ein Anwalt, Treuhänder, Handwerker oder ein Berater, höher sind als die von Angestellten. Auch ich werde immer wieder mit dieser Frage konfrontiert. Es ist wichtig, die verschiedenen Faktoren zu verstehen, die in die Kalkulation eines Stundenansatzes bei externen Dienstleistern einfliessen.
Wichtig zu wissen ist, dass es in diesem Artikel nicht um die Definition von Selbständigerwerbenden (Personengesellschaft) oder um das angestellt sein in der eigenen Firma (Kapitalgesellschaft) geht. Die Sozialabgaben und Versicherungslösungen sind unterschiedlich geregelt und würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. In diesem Artikel verwende ich den Begriff „Selbständigerwerbende“ oder «Selbständige» für „Dienstleister“ im Allgemeinen und betrifft sowohl Personengesellschaften als auch Inhaber einer Kapitalgesellschaft.
Berechnung Stundenlohn
Viele Unternehmen begehen leider den Fehler, die klassische Stundenlohnumrechnung anzuwenden: Jahreslohn dividiert durch Sollstunden plus Ferien- und Feiertagsentschädigung. Sie sind dann überrascht, wenn sie sehen, dass ein Selbständiger mehr verlangt als dieser berechnete Stundenlohn. Wieso? Weil dies nicht die Vollkostenrechnung darstellt.
Vollkostenrechnung eines Mitarbeitenden
Anders als Angestellte tragen Selbständige sämtliche Kosten (darunter auch Sozialversicherungen) selber. Je nach Alter und Versicherungslösungen betragen diese Kosten bis zu 25% des Bruttolohnes (je nach Alter, Versicherungen, BVG etc.). Doch damit ist die Rechnung noch nicht abgeschlossen. Hinzu kommen noch die Betriebskosten. Dazu zählen u.a. Miete für Büroräume, IT-Kosten, Kosten für Strom, Wasser und Internet sowie Ausgaben für Büroausstattung und -materialien. All diese Fixkosten müssen gedeckt werden. Der tägliche Betrieb erfordert den Einsatz von Verbrauchsmaterialien wie Papier, Toner und Büromaterialien. Zudem müssen spezifische Tools und Softwarelizenzen erworben und regelmässig aktualisiert werden.
Während Angestellte im Krankheitsfall weiterhin ihr Gehalt erhalten, haben Selbständige während dieser Zeit kein Einkommen. Die KTG-Versicherung kommt bei den meisten erst nach 30, 60 oder gar 90 Tagen zum Tragen. In dieser Zeit sind die Kosten selbst zu tragen. Krankheit oder Unfall führen immer zu Verdienstausfällen, die über Rücklagen oder Versicherungen abzufedern sind. Diese Vorsorge schlägt sich ebenfalls in den Stundenansätzen nieder. Selbständige müssen zudem ihre Buchhaltung und Verwaltung eigenständig oder durch die Beauftragung von Fachkräften bewältigen. Diese Aufgaben sind zeitintensiv und kostenintensiv, aber unerlässlich für die korrekte Abwicklung der Geschäftstätigkeiten und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften.
Summa summarum kann man also sagen, dass wenn der Bruttolohn eines Mitarbeitenden z.B. CHF 6’000 pro Monat beträgt, nicht ein Stundenlohn von rund CHF 42.00 anfällt, sondern dieser bei rund CHF 94.00 liegt.
Nicht bezahlte Stunden
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in die Kalkulation der Stundenansätze von Selbständigen einfliessen muss, sind die nicht bezahlten Stunden. Im Gegensatz zu Angestellten, die für jede geleistete Arbeitsstunde entlöhnt werden (auch wenn sie keine Arbeit haben und dennoch anwesend sind), verbringen Selbständige eine erhebliche Zeit mit Tätigkeiten, die nicht direkt bezahlt werden. Zu diesen nicht bezahlten Stunden (sogenannten unproduktiven Stunden) gehören unter anderem:
Akquise und Marketing: Selbständige müssen regelmässig Zeit investieren, um neue Kunden zu gewinnen und ihre Dienstleistungen zu bewerben. Diese Tätigkeiten sind unerlässlich, um einen konstanten Auftragsfluss zu gewährleisten, werden aber nicht vergütet.
Angebots- und Rechnungserstellung: Die Erstellung von Angeboten, das Nachfassen von Anfragen und die Abrechnung der geleisteten Arbeit sind zeitaufwändige Aufgaben, die nicht bezahlt werden, aber für den Geschäftsablauf unverzichtbar sind.
Kundengespräche und Beratung: Vor und nach der eigentlichen Dienstleistung müssen oft ausführliche Gespräche mit Kunden geführt werden, um Anforderungen zu klären, Projekte zu besprechen und Feedback einzuholen. Diese Zeit wird nicht abgerechnet.
Fortbildung und Weiterbildung: Um stets aktuelle und qualitativ hochwertige Dienstleistungen anbieten zu können, müssen Selbständige kontinuierlich in ihre Weiterbildung investieren. Die dafür aufgewendete Zeit wird nicht bezahlt, ist aber notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Büroorganisation und Administration: Selbständige sind auch für ihre eigene Büroorganisation und Administration verantwortlich, es sei denn, sie lagern diese Aufgaben aus. Dazu gehören, wie schon erwähnt, die Buchhaltung, das Beantworten von E-Mails und Anrufen, Marketingaktivitäten sowie die Pflege der Geschäftsdokumentation. Die Liste ist lang. Diese Aufgaben sind zeitintensiv und nicht abrechenbar.
Diese nicht bezahlten Stunden müssen in die Kalkulation des Stundenlohns einfliessen, da sie einen wesentlichen Teil der Arbeitszeit eines Selbständigen ausmachen. Andernfalls würde der Stundenansatz nicht ausreichen, um alle anfallenden Kosten zu decken und ein nachhaltiges Einkommen zu sichern.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Stundenansätze von Selbständigen nicht nur die direkt abrechenbaren Stunden, sondern auch die Vielzahl an unterstützenden Tätigkeiten und Aufwendungen berücksichtigen müssen.
Eine einfache und klassische Lehrbuch-Stundenlohnberechnung ist also falsch.
Die Zusammensetzung der Stundenansätze von Selbständigen ist komplex und berücksichtigt viele Aspekte, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind.
Ich hoffe, dieser Artikel bringt etwas Klarheit.
Wenn Sie weitere Fragen haben oder eine individuelle Beratung wünschen, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren.